Hochschule für Fernsehen und Film & Staatliches Museum für Ägyptische Kunst, München, 6-6-2011

München, 6-6-2011, 2011

Vorschlag Mai,2007

Eine freistehende, sich nach vorne beugende Aluminiumfigur, die ca. 3,60 m hoch ist, auf dem grossen Vorplatz der Hochschule, wo das Grasfeld das Museum für ägyptische Kunst überdeckt, aufzustellen. Die Figur ist ungefähr zweimal mannshoch und fügt sich natürlich in das mit Gras bedeckte Gelände ein. In Beziehung zu der dahinter liegenden Wand der Hochschule ist die nach vorne gebeugte Position ein Echo der starken horizontalen Linie des Gebäudes.

Die silberne Farbe des Aluminiums macht die Figur zu einem Lichtfänger, der im wechselnden Lichteinfall und bei sich langsam bewegenden Schatten Nuancen von Licht und Dunkel absorbiert und abgibt.

Die nach vorne gebeugte Figur steht mit einem Bein leicht gebogen, hat das Gesicht zum Boden gerichtet und stützt sich mit dem Kopf auf einen roten Stab, der quer durch den Boden in dem darunter liegenden Raum des Museums den Fussboden erreicht.

Der Titel der Skulptur ist:

PRESENT CONTINUOUS

Dies ist der grammatische Fachausdruck eines Zeitaspekts in der englischen Sprache, in dem das Jetzt in einer unbegrenzten, fortdauernden Bewegung ausgedrückt wird.

Hochschule für Fernsehen und Film und das Staatliche Museum ägyptischer Kunst

München
Barer Strasse – Gabelsbergerstrasse – Arcisstrasse

Konzept

Die Idee ist, dass die vornüber gebeugte Figur das Verborgene des Ortes, an dem sie steht, entdeckt. Der Blick ist auf den Punkt vor den Füssen gerichtet, um den nächsten Schritt in Gedanken vorbereiten zu können, um einen Punkt zu finden, wo ein Durchbruch zu einem Verständnis von Zeit, wo Kraft gesammelt und damit Vergesslichkeit verhindert wird, möglich ist. Hier entsteht eine Beziehung zwischen Raum und Zeit, wobei der Nachdruck auf den ursächlichen Verband zwischen der körperlichen Bewegung des Schreitens und der mentalen und intellektuellen Konzentration liegt.

Die horizontale Linie des Rückens der Figur findet ihren Kontrapunkt in der Vertikalität des roten Stabes, auf den sie sich lehnt. Die Figur stützt sich auf den Stab, aber ohne das Gleichgewicht zu verlieren: Figur und Senkrechte sind zwei unterschiedliche Elemente der Wirklichkeit, die zusammen gebracht werden und ein Ganzes, ein Bild ergeben.

Der rote Stab verbindet zwei Räume. Die Aussenwelt, in der Menschen, Gegenstände und Geräusche im zufälligen Wechsel das Strassenleben bestimmen, wird mit dem unterirdischen Innenraum verbunden, in dem eine andere, beständigere Welt eingerichtet ist. Hier befinden sich Relikte einer vergangenen Welt, die aus einer gewissen Verborgenheit durch ein grosses Netzwerk von Gedanken, Träumen, Intuitionen und Erinnerungen, die die überlieferten Gegenstände begleiten, wieder vorstellbar wird. Diese Verbindung bringt nicht nur eine Synchronizität von Aktualität und Vergangenheit, sondern auch eine Analogie von Wirklichkeit und Vorstellung zustande. Diese Analogie wiegt schwer, da die Figur damit altes, ausgestorbenes Leben wie einen Traum wieder in das existierende Rätsel der Wirklichkeit einfügt.

In den Jahren um 1910 lief Klaus Mann mit seinen Eltern, seinen Schwestern Monika und Erika und seinem kleinen Bruder Golo von der Franz Josephstrasse zur Arcisstrasse, wo seine Grosseltern wohnten. Er besuchte seine Grosseltern, um da das sonntägliche Mittagessen einzunehmen. Er erinnert sich an diesen wiederkehrenden Spaziergang durch die Strassen von München im Jahr 1924, als er im Herbst, dann 18jährig, an seinen Memoiren beginnt. Er schreibt davon in ‘Kind dieser Zeit’: ‘Die Arcisstrasse-Sonntage waren ein sehr wichtiger und glänzender Lebensbestandteil, gar nicht wegzudenken. (…) Wie steigt ihr auf, dass ich euch riechen und hören kann und eure zärtliche Langeweile wieder spüre, die wir uns mit tausend Gestalten bevölkerten – so dass ich ganz merke: Ihr seid unvergänglich. Irgendwo lebt ihr weiter.’

Die Zärtlichkeit dieser Erinnerungen an die ‘Arcisstrasse-Sonntage’ von Klaus Mann hängt in der Stille, unsichtbar. Unsere Schrift- und Bildkultur absorbiert Informationen aus der Stille. Die Welt, die wir selber kennen und erkennen lernen wird Teil einer grösseren Geschichte, die aus dem, was gehört und gesehen wird, und aus dem, was bemerkt und erzählt wird, zusammengestellt wird. Wir setzen die Vergangenheit fort, die, obwohl Ort, Kontext oder Ursprung nicht immer bekannt sind, einmal eingefangen, uns wie im Traum erscheint. Sie bleibt.

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