Gedanken über die Arbeit von Christiane Möbus

Das Wiedererkennen geschieht sofort, aber man schweigt und ahnt die Gefahr, auch wenn man sie nicht kennt. Wir schweigen, um das Schaün zu entwickeln. Diese dunkle Platte in uns, auf der das Bild erscheint, ist zerbrechlich, und immer bleibt die Angst, mit dem Bild, in dessen Glanz, zu verschwinden. Das Wiedererkennen geschieht sofort, beinahe brutal, schockierend und besteht aus harten Tatsachen und grossen Dingen. Das Wiedererkennen ist eine Rückkehr. Und bei der Rückkehr ist alles anders. Als ob ein Fremder -der es sicher gut gemeint hat- waehrend unserer Abwesenheit das Zimmer geputzt und die Dinge berührt hat, um sie gleichsam auf unsere Rückkehr vorzubereiten; sie sind voller neür Geheimnisse, ohne die unsere Rückkehr vielleicht nicht als Rückkehr erfahren werden kann. In jedem Wiedererkennen wird das alte wieder neu. Das Wiedererkennen ist der Beweiss für eine sichere Rückkehr. Aber sie hat auch einen Preis. Man kann nur einmal zurückkehren. Kommt man das zweite Mal, dann wird man ausgeschlossen…bestraft! Aber ist es nicht besser, das Haupt eines Löwen als der Schwanz eines Fuchses zu sein, lieber das Gesicht als das Hinterteil?

Wer spricht, spricht die letzten Worte. Die letzten Worte, die unruhig auf den Steinboden fallen, die nachts als Kaefer aufmarschieren und sich auf den naechsten Tag vorbereiten; auf einen neün Tag, gefüllt mit Macht und Ohnmacht und Missverstaendnis, Beleidigung und Tod und nicht zu folgenden Stimmungen. Die eine Haelfte überlebt die andere, die knirschend unter den Schuhsohlen der Tausenden und Abertausenden verschwindet, die im Morgengraün noch eben warten, bevor sie schreiend den Tag in Stücke zerhacken. Die Toten werden gezaehlt. So viele Arme, so viele Beine. Die Vogel laesst man gehen. Das, was sie nicht wissen, bleibt auch uns unbekannt. Wir starren in dieselbe Ferne…

Ein rauchendes Kind spuckt in die leere Strasse, wo eine Kirchenuhr laeutet und alte Fraün summen und ein altes Rad, erlösst vom Wagen, gegen einen harten Stein in Stücke zerbricht, befreit von seiner Rundung, seinem Wert, seiner Kraft und Einheit. Das Geheimnis entkommt in der letzten Kurve, wo Pferde hart geschlagen werden und wo man die Himmelfahrt auf kahlem Grund, hockend im Regen feiert. Barfuss und ohne Haus, Auge in Auge mit dem jungen Mann, der sich zu sterben weigert. Haeuser verschwinden in weisser Asche. Zitternde Haende, ein Suchen mit starrendem Blick und versteifen im kostbaren Gewand, ein neür Tag. Reines Blut wird zum Kauf angeboten. Ein einfaches Mahl, gemengt mit Gift. Grosse Raeder drehen sich ziellos in blinder übermacht. Alles ist aus Eisen.

In Traeumen spielt man mit falscher Luft und tanzt vermummt mit den Toten, die sich in dunklen Spiegeln verbergen. Der eine Blick begraebt den anderen. Hoch in der Luft reisen die Vögel traege in ein anderes Land. Sie schreien, um voranzukommen und lassen ihre Eier zurück. Wir singen sanft von Sonne und Sommer und öffnen die Türen… “When it is dark and you hear strange voices, tell your friend you are in love…” Ein altes Boot liegt leck geschlagen im Hafen und verliert bereits knarrend seine Geschichte.

Die Jungen und Maedchen paaren sich fünfmal taeglich und sterben mit offenem Mund, sprachlos und voller Angst. Das Schmelzwasser laesst die Ozeane steigen. Von der Steinmole springt man schreiend in das öffnende Wasser und ertrinkt. Ein fleischfressendes Tier, das mit einem Achselzucken mit der Beute verschwindet und das Wasser spiegelglatt zurücklaesst, wieder auf dem Weg zur naechsten Stadt, wo das Fest noch beginnen muss, waehrend die Fackeln bereits brennen und sich auf dem Bahnhof viele Züge versammeln.

So viele Füsse, die sanft den Boden prüfen und in dieser Gegenform Ruhe finden, aber sich in dieser Ruhe unermüdlich bewegen, als waeren sie unterwegs.

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