Allem geht etwas voran, das mir entgeht

Für Norbert Schwontkowski.

Allem geht etwas voran, das mir entgeht. Es gibt immer ein Vorheriges und deshalb immer eine Verspätung. Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt. Nur das Kunstwerk kennt den richtigen Zeitpunkt. Der Trick ist: Stillstand. Das bedeutet: die gesamte Zeit. Und wo ist der Anfang? Hier. Ich war allein in der Stadt und dachte an jemanden, der auch allein in der Stadt war. Ein fremder Zeigefinger spielte mit der Muschel meines linken Ohrs. Ich dachte an das Erste, das ich sah, als ich heute Morgen nach drei Alpträumen und zwei Frühstücken den Schuhsenkel zerriss und nach hinten auf den Holzboden der selbstgebauten Hütte kippte, wo schweigende Menschen, die sich bewegen, aber nicht sichtbar sind, Geräusche machen, die ständig hörbar waren. Das Unerwartete birgt alles in sich, um perfekt zu sein und in diesem Fall war es eine junge Frau, die ihre schwarzen Haare in der Schelde wusch, die sich dadurch dunkel färbte und deren Nabel ich seit Kurzem kannte und der mich jetzt verwildert und böse anschaute. Ich floh, rannte weg, aber kam nicht voran. Sie stach in mein Herz mit einem Messer. Ich starb in ihren Armen und alle summten sanft während das rote Blut auf den Boden tropfte.

Wenn ein Fluss über den Berg springt, werden die Fische singen. Wenn Kummer zu Schwermut führt, wird der Krieg noch 3 Jahre dauern und die Kinder werden ihre Hände mit Schlamm waschen. Wenn bei Sonnenuntergang die Konturen der Stadt einer Ruine mit einem Pferdekopf ähnlich sind und die Türme mit ihren spärlich beleuchteten Fenstern von links nach rechts wiegen, ist es Zeit, anzuhalten und nicht zu lachen, denn wenn ein Flugzeug abstürzt, ist alles vorüber. Jeder weiß, dass eine alte Frau nicht lange mehr leben wird.

Ihr Zorn war ein Spiel, ein Vorwand, um zudringlich zu sein und um dann mein Leben zu beherrschen. Es war Teil einer Strategie, deren Zweck unser Abschied war. Das wusste ich. Es gibt die Ferne und die Nähe. Das muss ich akzeptieren. Dazwischen sind wir. Die Nähe ist zu stark, um dort verweilen zu können und sie stößt denjenigen, der sich nähert wieder ab. Der erste Eindruck hat noch nicht alle Farben und in der Verwunderung bleibt er blass, zögernd, nicht weinend, nicht lachend, noch nicht quengelnd, kurz, wartend, abseits stehen. Aus der Nähe ist ein Sprung zum ‘Hier’ möglich. Aber vielleicht ist das zu weit. Bleiben ist ebenfalls eine Möglichkeit. Dieses Zögern führt zum Gemälde; schnell, nur nicht zu schnell, vorsichtig, nur nicht zu vorsichtig. Belohnung: Die Ferne ist zugänglich und die Nähe erträglich. (Nur muss man sich rückwärts laufend nähern können.)

Top